Dass sich die AGVs flexibel fortbewegen können, ist schon heute auf Basis verschiedener Technologien möglich, die dafür nötige Software kann bei verschiedenen Anbietern zugekauft werden. „Manche Kunden entwickeln auch mit viel Aufwand eigene Lösungen“, sagt Repplinger. „Das bedeutet erst mal viel Arbeit, bis überhaupt eine Wertschöpfung durch die AGVs erfolgen kann. Oft gibt es mit diesen ‚selbstgestrickten‘ Lösungen auch nach einiger Zeit Probleme, weil sie sich nur schwer an geänderte Bedingungen anpassen lassen.“
Der Bedarf der Kunden an derartigen Lösungen ist also da – und reicht von der einfachen Low-Cost- bis hin zur skalierbaren High-End-Variante. An dieser Stelle hakte das Start-up-Team ein und begann gezielt mit der Entwicklung der Lokalisierungssoftware. „Eine gute Basis hierfür waren Forschungsprojekte des Corporate Department Research & Development mit Schlüsselkunden von SICK, andere Aspekte der Software mussten neu entwickelt werden“, erläutert Christoph Reinke.
Für möglichst viel Marktnähe arbeitete das Start-up-Team eng mit Leitkunden zusammen. Aber auch der Vertrieb spielte dank der guten Kundenbeziehungen immer wieder zurück, was gebraucht wird. „Unser Ziel war es, möglichst schnell in den Markt zu kommen, dann gemeinsam mit den Kunden zu lernen und das Produkt weiterzuentwickeln“, fasst Repplinger die Vorgehensweise zusammen.
»DER CLOU IST: DIE GRUNDLAGE FÜR DIE SOFTWARE STECKT QUASI SCHON IN DEN
MOBILEN PLATTFORMEN SELBST – NÄMLICH IN DEN DATEN.«
Der Clou ist: Die Grundlage für die Software steckt quasi schon in den mobilen Plattformen selbst – nämlich in den Daten, die ihr Laserscanner ständig liefert. Die Software bringt diese in Verbindung mit einem Grundriss des Raumes und einer Karte der Umgebung, die der Laserscanner aufgenommen hat. Indem die Software das, was der Scanner beim Fahren „sieht“, kontinuierlich mit dieser Karte vergleicht, weiß das Fahrzeug immer, wo es ist – und findet davon ausgehend selbstständig seine Route zum Zielpunkt. „Technisch ist das recht aufwändig, weil die Messung einige 100 bis 1000 Male pro Sekunde erfolgt“, erklärt Michael Repplinger. Dazu kommt: Eine Industrieumgebung verändert sich ständig, darauf muss die Software reagieren können. „Die Software hat natürlich einen gewissen Toleranzbereich. Ändert sich jedoch viel an der Umgebung, muss der Kunde eine neue Kartierung vornehmen, damit sich die Fahrzeuge wieder fehlerfrei orientieren können“, erklärt Reinke. So wird freies Fahren selbst in einer dynamischen Umgebung möglich.
Der Grundriss mit den entsprechenden Messpunkten, die jeweiligen Positionen der AGVs und ihre Wege werden von der Software zudem am Bildschirm dargestellt. So ist alles verfolg- und steuerbar. Hier können auch Fahraufträge an die AGVs gesendet werden. „Wir sind der einzige Anbieter mit einer eigenen Hardware- und Software-Lösung für die Lokalisierung – das ist attraktiv für die Kunden und macht ihnen das Leben tatsächlich viel einfacher“, sagt Michael Repplinger. Derzeit nutzen bereits große Automobilhersteller die neue Lösung von SICK. „In dieser Branche zeigen sich Neuerungen in der Produktion erfahrungsgemäß zuerst“, sagt Reinke. „Aber auch andere Branchen werden in Kürze nachziehen, und wir können ihnen unsere Lösung anbieten“, ist er sich sicher.
Für SICK ist ein Software-Produkt dank seiner Skalierbarkeit auch wirtschaftlich interessant: Nach dem initialen Entwicklungsaufwand fallen nur noch Kosten für Wartung und Vertrieb an. Strategisch ist die LiDAR Localization Software ein großer Schritt auf dem Weg vom reinen Sensorenhersteller zum Anbieter digitaler Lösungen.
Die Geschichte der LiDAR Localization Software zeigt aber auch, wie gut der Start-up-Ansatz bei SICK funktioniert: Innerhalb von etwas mehr als zwei Jahren schaffte es das Team, ein marktreifes und zukunftsträchtiges Produkt mit viel Potenzial herauszubringen – und wurde damit in kürzester Zeit zu einer eigenen Business Unit mit rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Waldkirch und Hamburg. Eine zweite Variante der Software, die fehlerhafte bzw. fehlende Magnetstreifen ausgleicht, kommt Ende 2020 auf den Markt.